Aal

Anguilla anguilla

Der Europäische Aal (Anguilla anguilla) ist sicherlich einer der skurrilsten Fische in der Aquakultur. Der Lebenszyklus des Aals ist in der Tierwelt einzigartig.

Viele Details zum Leben des Aals sind bis heute nicht eindeutig geklärt und er gibt der Wissenschaft noch immer Rätsel auf. Foto: Pixabay

Der Europäische Aal ist sicherlich einer der skurrilsten Fische in der Aquakultur. Neben dem schlangenähnlichen Erscheinungsbild, der Fähigkeit längere Zeiträume an Land zu überleben oder dem toxischen Blut, ist es besonders der einmalige Lebenszyklus der den Aal so außergewöhnlich macht. Allerdings ist es u. a. dieser katadrome Lebenszyklus der ihm nicht selten zum Verhängnis wird (Wanderung von Binnengewässern ins Meer). Nicht ohne Grund wird der Europäische Aal daher seit 1998 in der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature) als „vom Aussterben bedroht“ geführt. Viele Details zum Leben des Aals sind bis heute nicht eindeutig geklärt und er gibt der Wissenschaft noch immer Rätsel auf.

Steckbrief

Größe
50 – 130 cm
Herkunft
Atlantik/Kontinentalgewässer
Nahrung
Wirbellose, Fische, Amphibien
Jahresproduktion
5.135 t (FAO 2024)
Biologie

Der Europäische Aal (Anguilla anguilla) zählt zu der recht kleinen Familie der Anguillidae (Echte Aale), die insgesamt nur 16 Arten umfasst. Wie seine Verwandten hat auch der Europäische Aal einen schlangen-, bzw. schlauchartigen Körper, der schuppenlos erscheint. Die Schuppen des Aals sind in der Unterhaut (Corium) verborgen. Je nach Entwicklungsstand variiert die Bauchfärbung des Aals von Gelb (Gelbaal/Steigaal) zu Silber (Silber- oder Blankaal). Die Rückenfärbung dagegen korreliert nur wenig mit dem Entwicklungsgrad und variiert zwischen dunkelgrün bis fast schwarz. Aale haben einen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus. Adulte Männchen werden selten größer als 50 cm und 300 g schwer, weibliche Tiere dagegen werden mit max. 130 cm und 6,6 kg Körpergewicht wesentlich größer.

Der Lebenszyklus des Aals ist in der Tierwelt einzigartig. Er endet mit einer mehrere Tausend Kilometer langen Wanderung der adulten Tiere aus den Binnengewässern ins Meer (katadrome Wanderung). Der primäre Reiz für den Beginn der Wanderung ist noch nicht vollständig geklärt. Kurz vor und während der ersten Wochen der Wanderung vollziehen die adulten Tiere weitreichende physiologische Anpassungen an ihre lange Reise. Die vormals gelbliche Färbung des Bauchs wird silbrig (Silber- oder Blankaal), der Verdauungsapparat bildet sich weitgehend zurück, Augen und Brustflossen werden größer. Parallel verstärkt sich das Wachstum der Gonaden (Geschlechtsorgane).

Die Wanderung selbst findet bevorzugt in den dunklen Abend- und Nachtstunden statt, während der sich die adulten Tiere mit dem Strom Richtung Meer schwimmen oder sich treiben lassen (z. T. in Knäulen aus mehreren Tieren). Unter günstigen Bedingungen, wie z. B. nach Regenfällen bedingten höheren Strömungsgeschwindigkeiten, können die Tiere pro Tag beachtliche Distanzen überwinden. In der Elbe wurden Aale beobachtet, die pro Tag über 30 km zurücklegten. Mit dem Erreichen der Küste verlangsamt sich für gewöhnlich die Wanderungsgeschwindigkeit. Aus ihren Heimatgewässern wandern die Aale dann z. T. mehrere tausende Kilometer (5000 – 6000 km) bis weit in den Atlantik. Je größer die Wassertiefen bei der Wanderung werden, desto ausgeprägter werden auch die täglichen Vertikalwanderungen der Tiere. Erreichen die Tiere den Tiefseeschelf bewegen sie sich tagsüber bevorzugt in Tiefen um die 300 m, während sie nachts eher in Tiefen zwischen 700 – 1000 m anzutreffen sind. Abhängig von der Strömung werden täglich 15 – 25 km pro Tag zurückgelegt (unter sehr günstigen Bedingungen bis zu 75 km pro Tag). Bis zum Ziel ihrer Reise, der Sargassosee (östlich Floridas und südlich der Bermuda-Inseln), benötigen die Aale aus europäischen Gewässern mehrere Monate, manche Individuen womöglich sogar über ein Jahr. Während dieser Zeit nehmen sie keine Nahrung auf und ernähren sich ausschließlich von ihren Fettreserven. Diese können bis zu 30 % des Köpergewichts ausmachen. Triglyceride (Speicherfette) machen ein Großteil (ca. 80 %) dieses Fetts aus.

Kommt es dann in den Tiefen der Sargassosee zur Paarung, laichen die Aalrogner 1 bis 3,6 Millionen Eier pro kg Körpergewicht ab, die dann vom Milchner befruchtet werden. Nach erfolgreicher Paarung sterben die Aale, ähnlich wie bei manchen Lachsarten, in Folge von Entkräftung und den Strapazen der Wanderung (Semelparie). Die Paarung von Aalen in der Natur wurde noch nie beobachtet. Anders als beim Japanischen Aal (Anguilla japonica) wurden sogar noch nie laichreife Individuen des Europäischen Aals oder dessen Eier gefunden.

Im Labor schlüpfen aus den befruchteten Eiern nach 2 – 3 Tagen die kleinen Larven (Prä-Leptocephalus). Während der folgenden Tage ernährt sich Larve zunächst von ihrem Dottervorrat. Ist der Dottervorrat verbraucht und Augen und Zähne ausgebildet beginnt die nun in ihrer Form an ein Weidenblatt erinnernde Larve, daher auch als Weidenblattlarve oder Leptocephalus bezeichnet, aktiv Nahrung (Zooplankton) aufzunehmen. Vom Golfstrom getragen erreichen die Leptocephali dann nach ca. 1 - 3 Jahren die europäischen Küstengewässer als frisch entwickelte, nahezu durchsichtige Glasaale.

Wenn sie beginnen in die Flüsse aufzusteigen pigmentieren die Glasaale. In diesem Stadium werden sie als Steigaale bezeichnet. Im Verlauf ihrer flussaufwärts gerichteten Wanderung beginnt sich der Bauch der Tier gelblich zu färben (Gelbaal). Allerdings steigen nicht alle Aale flussauf, manche verbleiben auch im Küstengewässer.

Wie lange Gelbaale in kontinentalen Gewässern verbringen hängt von vielerlei Faktoren ab, wie z. B. der durchschnittlichen Wassertemperatur und dem Nahrungsangebot. Aalrogner aus dem Mittelmeerraum sind z. T. schon nach 5 – 7 Jahren geschlechtsreif. Weibliche Tiere aus der Ostsee oder den mittel- und nordeuropäischen Binnengewässern benötigen dagegen wesentlich länger (9 – 20 Jahre) bis sie sich auf den strapaziösen Weg in die Sargassosee machen. Da Männchen deutlich kleiner bleiben als Weibchen treten sie die Wanderung häufig schon früher an (nach 6 – 12 Jahren in Mitteleuropa).

Die Geschlechtsdifferenzierung wird weniger durch das Alter, als durch die Größe der Tiere beeinflusst. Sie findet beim Aal erst relativ spät bei einer Größe zwischen 20 – 30 cm statt. Welches phänotypische Geschlecht bei einem Aal ausgeprägt wird ist nicht streng genetisch festgelegt. Entscheidende Faktoren sind z. B. Nahrungsangebot, Bestandsdichte und Temperatur. Hohe Bestandsdichten, niedrige Nahrungsverfügbarkeit (Nahrungskonkurrenz und Unterernährung) und Wassertemperaturen von 20 – 23 °C begünstigen die Ausbildung von phänotypischen Milchnern. Niedrige (<17 °C), sowie besonders hohe Temperaturen (29 °C) und hohe Dichten begünstigen die Ausbildung von Rognern. Das genaue Zusammenspiel und die Gewichtung der einzelnen Faktoren ist allerdings nach wie vor nicht abschließend geklärt und daher noch Gegenstand zahlreicher Forschungsbemühungen.

Während der langen Zeit (in Ausnahmefällen bis zu 50 Jahren) im Süß- oder Brackwasser ernähren sich Gelbaale u. a. von Würmern, Krebsen, Mollusken und Fischen. Je nach Beuteangebot kommt es dabei zur Ausprägung zweier verschiedener Morphotypen. Tiere mit einem kegelförmigen Kopf werden als Spitzkopfaale bezeichnet. Sie ernähren sich primär von kleineren Beuteorganismen, wie Würmern, Schnecken, Muscheln, Insektenlarven und Kleinkrebsen. Tiere mit einem kräftiger entwickelten Kopf und einer tiefen Maulspalte dagegen werden Breitkopfaale genannt. Ihr Beutespektrum reicht von Fischen, wie Rotfedern und Plötzen bis zu Amphibien und größeren Krebsen.

Aquakultur

Die gezielte Aufzucht von Aalen wird schon relativ lange praktiziert. Erste Belege für eine kommerzielle Produktion des Japanischen Aals (Anguilla japonica) sind schon aus dem Jahr 1880 – 1890 für verschiedene japanische Präfekturen vorhanden. Der Japanische Aal ist seinen Europäischen Verwandten sehr ähnlich, nur dass sie westlich der Marianen (Inselgruppe zwischen Japan und den Philippinen) laichen. Wurden Aale zunächst in Polykulturen zusammen mit Karpfen in Teichen gemästet, haben sich im Laufe der Jahre besonders in Europa geschlossene Kreislaufanlagen durchgesetzt. Im asiatischen Raum wird die Aufzucht in Teichen auch weiterhin praktiziert.

In Europa werden Aale vor allem in den Niederlanden, Deutschland und Italien in Aquakultur produziert. Global spielt die europäische Produktion aber eher eine unterordnete Rolle. Die größten Produzenten sind im asiatischen Raum zu finden. Welche konkreten Mengen aber in China, Japan oder Thailand aufgezogen werden ist nicht zweifelsfrei zu belegen, da nicht immer ausgewiesen wird, welche Aalart produziert wird.

Es ist zwar inzwischen möglich, Aale mithilfe von Sexualhormonen künstlich im Labor zu reproduzieren (im Thünen-Institut für Fischereiökologie ist dies in Deutschland gelungen), die Aufzucht der Larven bis zum Glasaal aber ist bisher noch nicht geglückt. Die Aquakulturen dienen dementsprechend ausschließlich der Mast wildgefangener Glasaale. Derzeit wird intensiv daran geforscht den Lebenszyklus des Aals zu schließen, um dieser Abhängigkeit von wildgefangenen Besatzmaterial entgegenzuwirken.

Semi-intensive Aufzucht in Teichen

Die Aufzucht in Teichen (entweder unter freiem Himmel oder in Gewächshäusern) wird besonders in Asien, aber auch Teilen Südeuropas (z. B. Griechenland) praktiziert. Je nach Entwicklungsstadium bzw. Größe werden die Tiere in verschieden dimensionierten Teichen gehältert. Dabei wird stets ein besonderes Augenmerk auf eine ausreichende Sauerstoffversorgung der Aale geworfen. Das Haltungswasser wird entweder über eine angepasste Zufuhr von Frischwasser oder aber durch die mechanische Einbringung in die Teiche, z. B. über Schaufelräder, mit Sauerstoff versorgt.

Junge Glasaale werden zunächst in 40 – 300 m² großen und 40 – 80 cm tiefen Teichen, in Besatzdichten von 1 – 5 kg/m² gehältert und für die ersten Tage mit Schlammröhrenwürmeren (Tubifex tubifex - während der Anfangsphase noch zerkleinert) und später mit gehackter Rinderleber, Fisch oder kommerziellem Pasten- und Pelletfutter gefüttert. Nach 40 – 100 Tagen sind sie dann soweit herangewachsen, dass sie das erste Mal der Größe nach sortiert werden (sog. grading). Nur durch dieses Sortieren ist ein gleichmäßiges Wachstum der Tiere durch eine angepasste Haltung möglich (Männchen und Weibchen unterscheiden sich im Wachstum) und Kannibalismus kann vermieden werden. Haben die Tiere eine Größe von ca. 5 g erreicht werden sie in etwas größere Teiche überführt (100 – 1000 m² bei einer Tiefe von max. 1 m) und die Besatzdichte erhöht (5 – 10 kg/m²). Tiere nahe der marktfähigen Größe zwischen 100 und 500 g werden in noch größeren Teichen (300 – 3000 m²) in höheren Dichten (10 – 30 kg) gehalten.

Intensive Aufzucht in Kreislaufanlagen

Die zu Beginn der Mast nur ca. 0,3 g schweren Glasaale werden in der ersten Zeit mit Kabeljaurogen (Europa), Tubifex (Asien) oder einer Futterpaste mit einem hohen Anteil von Fischmehl und –öl gemästet und dann schrittweise auf Trocken- bzw. Pelletfutter umgestellt (sog. weaning). Die Haltungsdichten sind mit 10 – 15 kg/m³ zunächst sehr gering und werden erst mit zunehmender Größe der Tiere gesteigert. Auch die Haltungstemperaturen werden während der ersten Tage noch unter 20 °C gehalten und dann sukzessive auf 23 – 28 °C gesteigert. Haben die Aale ein Gewicht von 5 g erreicht, werden sie in größere Becken umgesetzt (6 – 8 m3) und die Besatzdichte auf 50 – 75 kg/m³ erhöht. Ab einer Größe von 50 g werden die Aale dann mit 100 – 150 (max. 200) kg/m³ noch enger gesetzt.

Während der 12 – 24 monatigen Hälterung bis zur Schlachtreife von 100 – 500 g (in Asien werden eher kleinere Aale bevorzugt, in Europa größere) ist es nötig die Tiere mehrfach (min. alle 6 Wochen) nach Größen zu sortiert, da Aale sehr ungleichmäßig abwachsen.

Valikultur

Die Aufzucht von Aalen (und anderen Fischen) in natürlichen oder künstlich abgetrennten Meeresbuchten und Lagunen wird z. T. noch im Mittelmeerraum, bes. Italien, praktiziert. Bereits im 11. Jahrhundert wurden in der Lagune von Venedig Bereiche für die Aufzucht von Fischen, wie z. B. Aale, Doraden, Wolfsbarschen und Meeräschen abgegrenzt, die auch heute noch bewirtschafteten „Valli da pesca“. Die Lagunen und Buchten werden für die Aufzucht mit Glasaalen besetzt. Abhängig von den örtlichen Gegebenheiten ist eine Zufütterung für die Aufzucht nicht zwingend erforderlich fördert aber das Wachstum der Aale und damit die mögliche Produktionsmenge ebenso, wie eine gezielte Wasserzu- und -abfuhr (Lagunen) zur Gewährleistung einer gleichbleibenden Wasserqualität und Sauerstoffversorgung. Da die Haltungseinrichtungen natürlicherweise jahreszeitlichen Temperaturschwankungen unterworfen sind und auch die Nahrungszufuhr variieren kann, dauert es meist mehrere Jahre bis die Aale eine vermarktungsfähige Größe erreicht haben (in Italien durchschnittlich 7 Jahre).

Produktangebot

Im europäischen Raum werden Aale zum größten Teil im Ganzen geräuchert angeboten. Im geringeren Umfang kann Aal aber auch frisch bezogen werden. Die in Asien besonders beliebten Produkte, wie z. B in Sojasauce gekochter oder auf diverse Arten marinierter und vorbereiteter Aal (für Unagi oder Kabayashi) sind auf dem europäischen Markt dagegen nur Randerscheinungen.

Zertifizierung

Da der Europäische Aal schon seit 1998 in der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als „vom Aussterben bedroht“ geführt wird und sich die Bestände nach wie vor nicht erholt haben, stehen keine unter den bekannten Labeln (Naturland, ASC, GlobalGAP…) produzierten Aale zur Verfügung. Durch die Initiative zur Förderung des europäischen Aals e. V. wurde ein Nachhaltigkeitskonzept entwickelt. Dieses sieht vor, dass für jeden im Handel verkauften Aal drei Jungaale in deutsche Gewässer ausgesetzt werden, um so den Bestand zu stabilisieren und zu sichern. Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen ist mitunter umstritten, da die Aale im Besatzgewässer einer hohen anthropogenen Sterblichkeit unterliegen können (Fischerei, Wasserkraft). Biologische Kriterien, wie etwa eine hohe Abwanderungswahrscheinlichkeit, spielen eine untergeordnete Rolle. In der Elbe wurde bspw. gezeigt, dass das Abwanderungsziel nur durch einen Besatz über das natürliche Maß hinaus erreicht wird, da die anthropogene Sterblichkeit nicht ausreichend reduziert ist.

Nachgehakt

Gefährdet der Fang von Glasaalen die natürliche Population?

Es ist zwar schon im Laborversuch gelungen, Aale mithilfe von Sexualhormonen künstlich zu reproduzieren, die Aufzucht der Larven bis zum Glasaal ist aber bisher beim Europäischen Aal noch nicht geglückt. Daher sind Aalproduzenten immer noch auf gefangene Glasaale als Besatzmaterial angewiesen. Der Bestand adulter Aale und auch der von Glasaalen hat in den letzten Jahrzehnten z. T. alarmierend abgenommen (Rückgang der Glasaalbestände zwischen 1980 und 1999 um z. T. 99 %). Die Europäische Kommission hat daher im Jahr 2007 Aal-Richtlinien (EG 1100/2007) beschlossen, die u. a. den Fang von Glasaalen reglementieren. Alle Mitgliedsstaaten wurden parallel dazu verpflichtet Bewirtschaftungspläne auszuarbeiten, die sicherstellen sollen, dass mindestens 40 % der natürlicherweise (ohne menschlichen Einfluss) abwandernden Blankaale die Küstengewässer erreichen. Weiterhin hat die Europäische Kommission 2011 den außereuropäischen Handel mit Glasaalen untersagt, da die Nachfrage aus dem asiatischen Raum (besonders Japan und China) die Glasaalpreise innerhalb von 15 Jahren von ca. 80 Euro/kg (1990) auf über 1000 Euro/kg (2005) hat schnellen lassen. Dies machte die europäischen Besatzmaßnahmen nahezu unmöglich.

Entsprechend den Vorgaben der Europäischen Kommission hat Deutschland bereits 2008 (regional teilweise schon 2006) einen Managementplan für den Aal erstellt, der die Abwanderungszahlen der Blankaale mindestens auf dem geforderten Niveau halten soll. Zwischen 2011 und 2013 wurde dann erfreulicherweise auch eine Abwanderungsrate von 49 % errechnet, die jedoch in weiten Teilen auf Annahmen beruht.

Nach wie vor sind aber die natürlichen Aufstiegszahlen, bzw. die Menge an Glasaalen die die europäischen Küstengewässer erreichen noch sehr gering und können den Fortbestand der lokalen Populationen nicht sichern. Dafür sind immer noch Besatz von Binnengewässern mit vorgestreckten Aalen oder Glasaalen nötig, sowie ein weiterer Ausbau der Schutzmaßnahmen. Hierzu zählen z. B. die Verringerung der Mortalität abwandernder Blankaale verursacht u. a. durch die Turbinen von Wasserkraftanlagen und die Entnahme von Kühlwasser, sowie eine weitergehende Verbesserung der Durchgängigkeit der Flüsse durch Fischaufstiegshilfen (geregelt durch die EG-Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG). Demzufolge könnten sich durch die Schutzmaßnahmen und das bestehende Exportverbot von Glasaalen die Bestände erholen. Jedoch wird dieses möglicherweise erst in einigen Jahren oder Jahrzehnten nachzuweisen sein.

Auch der 1982 mit Japanischen Aalen eingeschleppte Nematode Anguillicoloides crassus (Schwimmblasenwurm) gefährdet möglicherweise den Aalbestand. Dieser Parasit erreicht den Aal über 1 – 2 Zwischenwirte (1. Wirt Copepode, 2. Wirt Klein-, bzw. juvenile Fische, z. B. Kaulbarsch, Zander, Stint) und nistet sich im Gewebe der Schwimmblase des Aals ein, wo er sich hämatophag, also vom Blut des Wirts, ernährt. In Japanischen Aalen ist er ein gewöhnlicher Parasit ohne besondere Schadwirkung. Der Europäische Aal ist aber weitaus anfälliger und hat dem Befall nur wenig entgegenzusetzten. Ein Befall führt zu einer Verdickung (Verschwartung) und Vernarbung des Schwimmblasengewebes, bzw. –epithels und beeinträchtigt so die Funktion der Schwimmblase als hydrostatisches Organ. Zusätzlich zeigen befallene Aale häufig einen reduzierten Appetit und daraus resultierende Körpermasseverluste. Untersuchungen konnten zeigen, dass bei starker Infektion der Energiebedarf um bis zu 20 % erhöht ist. Es ist also davon auszugehen, dass viele der befallenen Tiere die strapaziöse Reise bis in die Sargassosee nicht bewältigen und somit nicht zur Bestandserhaltung beitragen können.

Aale gelten häufig als besonders stark belastet. Trifft dies auch auf Aale aus Aquakultur zu?

Aale aus bestimmten Gewässern (besonders aus Flüssen) können trotz gestiegener Umweltschutzrichtlinien mit bestimmten Schadstoffen, wie u. a. den krebserregenden und besonders persistenten Dioxinen, dioxidähnlichen Stoffen (PCBs) und Schwermetallen (z. B. Blei, Cadmium und Quecksilber) belastet sein. Dem Aal wird die für die Wanderung in die Sargassosee nötige Energiereserve in Form von Fett (bis zu 30% des Körpergewichts) zum Verhängnis. Denn besonders im Fett werden Schadstoffe eingelagert. Die als Xenobiotika zusammengefassten Schadstoffe werden allerdings nicht nur über die Nahrung aufgenommen, sondern auch über die Kiemen und die Haut. Da sich Aale bevorzugt am und versteckt im Bodengrund von Gewässern aufhalten, gelangen sie verstärkt mit diesen Stoffen in Kontakt. Als Räuber stehen außerdem Aale am Ende der Nahrungskette und reichern so Stoffe über die trophischen Ebenen hinweg an. Zusätzlich „verdünnen“ Aale die angereicherten Schadstoffe nicht durch jährliche Laichaktivitäten, denn sie vermehren sich nur einmal im Leben.

Aus diesem Grund hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) entsprechende Hinweise zum Verzehr fetthaltigen Fischen herausgegeben. Anhand der Verordnung der Europäischen Kommission zu Dioxinen und der Summe von Dioxinen und dioxinähnlichen PCBs (EG Nr. 199/2006), den von der WHO (World Health Organisation - Weltgesundheitsorganisation) angegebenen TDI (tolerable daily intake - tolerable Aufnahmemenge pro Tag) von max. 4 pg WHO-TEQ (Toxizitätsäquivalente)/kg Körpergewicht, den von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlenen wöchentlichen 1 – 2 Fischmahlzeiten (je 200 g) und Analysen über die Dioxingehalte von Aalen verschiedener Herkünfte weist das BfR darauf hin, dass:

Aale verschiedener Herkünfte nicht selten Konzentrationen von Dioxinen und PCBs oberhalb der zulässigen Menge von 12 pg/g (0,000.000.000.012 g, für andere Fische gilt ein Höchstwert von 8 pg/g) aufweisen und somit dementsprechend als nicht verkehrsfähig gelten. Sie dürfen somit offiziell nicht in den Handel kommen. Problematisch ist, dass selbst wenn Fische mit geringerer Belastung verzehrt werden, unter ungünstigen Bedingungen die TDI, bzw. TWI (total weekly intake - tolerable wöchentliche Aufnahmemenge) überschritten werden kann. Nach Auffassung des Scientific Committee on Food (SFC) beträgt die TWI für die Summe aus Dioxinen und PCBs 14 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ/kg Körpergewicht (WHO-PCDD/F-TEQ ist die Summe der Toxizitätsäquivalente der insgesamt 17 toxikologisch wichtigsten Dioxine und Furane; WHO-PCB-TEQ ist die Summe der Toxizitätsäquivalente der 12 dl-PCB). Dementsprechend würden mit einer Mahlzeit von z. B. 200 g Fisch mit einer Belastung von 4 pg/g insgesamt 800 pg Schadstoffe aufgenommen. Bei einer Person von 60 kg Körpergewicht wäre die TWI zu 95 % (13,33 pg) ausgeschöpft. Addiert man die übliche Aufnahmemenge von 1 pg WHO-TEQ/kg Körpergewicht durch den Verzehr anderer tierischer Produkte, wie Fleisch, Milch und Milchprodukte, wird die TWI für zwei Wochen mit einer Mahlzeit ausgeschöpft.

Das BfR empfiehlt daher nur zu einem gelegentlichen Verzehr von Aal. So ist der Verbraucher entsprechend vor möglichen Beeinträchtigungen geschützt. Allerdings sollten bestimmte Personenkreise, die besonders häufig Aale oder auch andere fettreiche Fische aus belasteten Gewässern konsumieren, z. B. Angler und ihre Familien, sich der Problematik bewusst sein. Entsprechende Informationen über eine regionale Belastung der Aale können u. a. bei zuständigen Landesumweltämtern, Fischereibehörden oder gegebenenfalls Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz eingeholt werden.

Auch wenn es bisher keine Schadstoffanalysen von Aalen aus der Aquakultur verfügbar sind, kann davon ausgegangen werden, dass Xenobiotika nur eine untergeordnete Rolle spielen. Zum einen überprüfen Futtermittelhersteller die verwendeten Rohstoffe regelmäßig. Zum anderen werden die Aale in der Aquakultur unter kontrollierten Bedingungen in einer belastungsfreien Umgebung aufgezogen. Dennoch können sich vereinzelt auch in Futtermittel geringe Quantitäten bestimmter Schadstoffe befinden, z. B. Pestizidrückstände, die in den verwendeten pflanzlichen Substitutionsstoffen vorhanden sind oder in Form von bestimmten Antioxidantien (z. B. Ethoxyquin), die dem Fischfutter in geringen Konzentrationen beigegeben werden. Durch die unklare Datenlage können bisher aber keine belastbaren Angaben zu einer möglichen Verzehrempfehlung gegeben werden.

Neben der Problematik des übermäßigen Verzehrs eventuell belasteter Aale durch den Menschen, können Xenobiotika auch die Physiologie und die Gesundheit der Aale selbst beeinträchtigen. Neben den kurz- und mittelfristigen Folgen einer Aufnahme bestimmter Schadstoffe, wie Schädigung und Funktionsbeeinträchtigung diverser Organe, wie Kiemen, Leber, Niere, ist es besonders die Metamorphose zum Silberaal und die mehrmonatige Wanderung die den Aal im Vergleich zu anderen Fischen anfälliger für bestimmte Kontaminationen macht. Während der langen Wanderung wird der Energiebedarf für die Fortbewegung und die Reifung der Gameten (Geschlechtszellen) primär aus den Körperfetten gewonnen. Dabei werden aber nicht nur energiereiche Äquivalente gewonnen, sondern auch die über die lange Gelbaalphase im Körperfett eingelagerten Toxine wieder freigesetzt. Diese können u. a. als endokrine Disruptoren den Hormonhaushalt der Aale beeinflussen (z. B. über die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse) und somit die Gametenbildung und den Energiestoffwechsel der Tiere stören. Inwieweit die Tiere dann überhaupt fähig sind ihre Laichplätze zu erreichen und sich erfolgreich zu reproduzieren ist bisher noch nicht abschließend geklärt. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass diese Umweltgifte sich negativ auf die gesamte Aalpopulation auswirken.

Literatur & Links

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[Stand 05/2019]

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