
Versuchssysteme, wie hier am Institut für Wasser-und Energiemanagement (iwe) an der Hochschule Hof, liefern notwendige Forschungsergebnisse um die integrierte Aquakultur weiter zu verbessern. Foto: H. Harbach
Auf einen Blick: IMTA
Bei integrierter multi-tropher Aquakultur (IMTA) handelt es sich um die Co-Kultur von aquatischen Organismen mit unterschiedlichen Positionen in der Nahrungskette (sog. trophische Ebenen). Die Ressourcen einer Ebene, wie Stoffwechselprodukte oder Nahrungsreste, werden unter Ausnutzung gegenseitiger Synergien von einer anderen Ebene verwertet. Die verschiedenen Arten, wie Fische, Muscheln, Krebstiere, Algen oder Pflanzen, müssen nicht unbedingt in einem gemeinsamen Produktionssystem erzeugt werden, doch ein Nährstoffaustausch über das Wasser wird benötigt.
Begriffsklärung und Abgrenzung
Die Produktionsweise einer IMTA ist charakterisiert durch eine möglichst ökologisch verträgliche und wirtschaftliche Produktion von verschiedenen Nahrungsmitteln. Unterschieden werden kann die Produktion in landbasierte integrierte Aquakultur, wie z. B. Aquaponik, in welcher Fisch (in Aquakultur) und Pflanzen (in Hydroponik) gemeinsam produziert werden, und IMTA-Systeme. In marinen Systemen werden voneinander profitierende Organismen verschiedener trophischer Ebenen in räumlicher Nähe kultiviert. Grundlegend können dabei z. B. Fische oder Garnelen, denen vom Menschen Futter zugeführt wird, mit extrahierenden Arten wie Schalentieren, pflanzenfressenden Fischarten und/oder Algen und Pflanzen kombiniert werden. Die extrahierenden Arten unterscheiden sich in Organik- und in Anorganik-extrahierende Arten. Organik-extrahierende Arten verwerten z. B. über Filtration oder Fraß den Kot und übriggebliebene Futterpartikel. Anorganik-extrahierende Arten, wie Makroalgen oder Pflanzen, nehmen wiederum freiwerdende Nährstoffe auf. Ein Nährstofffluss über verschiedene trophische Ebenen wird erzeugt. Dies vermindert den Nährstoffeintrag und somit den Einfluss auf das umgebende Ökosystem, erhöht die Nachhaltigkeit und die ökonomische Stabilität durch Produktdiversifikation sowie die soziale Akzeptanz in der Bevölkerung. Entstehende Synergieeffekte sind bspw. die Anreicherung des Wassers mit Sauerstoff, höhere Überlebensraten und ein verbessertes Wachstum der einzelnen Arten. Klar abzugrenzen ist die IMTA von der Polykultur. In Polykultur werden z. B. mehrere Fischarten innerhalb eines Systems kultiviert. Eine Optimierung der Stoffflüsse zwischen den verschiedenen trophischen Ebenen findet nicht statt und Anorganik-extrahierende Organismen fehlen meist.
Geschichte
Die Idee der integrierten Systeme ist nicht neu. Sie reicht zurück bis in die Anfänge der Aquakultur selbst. Besonders in China haben integrierte aquatische Kultursysteme eine lange Tradition. Sie werden bis in die Gegenwart angewandt.
Bereits 2200 bis 2100 vor Christus wurden in China Fische und Pflanzen in gemeinsamen Systemen kultiviert. Auch die alten Ägypter kultivierten 1550 – 1070 vor Christus nachweislich Tilapien in Systemen mit Anschluss an ihre Agrarflächen. 1330 bis 1100 vor Christus entstand die Polykultur. In den 1970er Jahren wurde die Idee der integrierten Systeme schließlich im Zusammenspiel mit marinen Polykulturen neu aufgegriffen und unter verschiedenen Namen weiterentwickelt, bis Thierry Chopin und Jack Taylor (2004) den Begriff „Integrierte multi-trophe Aquakultur“ einführten.
Effizienz
Die Kombinationsmöglichkeiten aquatischer Organismen sind vielfältig. Die Effizienz einer IMTA ist nicht zuletzt von diesen abhängig. Ein IMTA-System besteht mindestens aus zwei Arten unterschiedlicher Trophiestufen. Häufig verwendete, zu fütternde Arten sind u. a. der Atlantische Lachs und verschiedene Garnelen. Typische Organik-extraktive Arten, also Arten, die sich von organischem Material ernähren, sind z. B. Seegurken, Seeigel, Abalone, Austern und Miesmuscheln. Um die Anorganik zu verwerten, also gelöste Nährstoffe im Meerwasser, werden in der Regel Makroalgen eingesetzt. Die Effektivität und Effizienz einer IMTA, die Verwertung der Nährstofffrachten, ist erheblich von mehreren Faktoren abhängig, wie Besatzdichte, Tiefe, Lichteinfall, Strömung, Wassertemperatur und Position der Kultureinheiten zueinander. Für Seegurken konnte beispielsweise eine Verwertungsrate von organischen Farmabfällen aus Doradenkultur von bis zu 45,9 % erreicht werden. Die Rotalge G. lemaneiformis schaffte es, 83,75 % des freiwerdenden anorganischen Ammoniums und 70,4 % des freiwerdenden anorganischen Phosphats zu verwerten. Um beispielsweise die Stickstoffausscheidungen einer 1500-Tonnen-Produktionsanlage mit Atlantischen Lachsen um nahezu 100 % zu kompensieren, wäre ein 100-ha-Langleinensystem mit Makroalgen notwendig. Die Effektivität anderer Arten, wie der Miesmuschel, ist hingegen umstritten. Ferner hängt die „Absorptionseffizienz biologisch von der Ernährungsphysiologie, der Struktur/Funktion des jeweiligen Magens und [der] Darmpassagezeit der Arten ab“ (Upling, 2020).
Ökonomie
Die Wirtschaftlichkeit der IMTA wird zurzeit noch zu einem großen Teil auf der Basis von Modellrechnungen vorausgesagt. Es fehlen praktische Daten kommerzieller Systeme. Durch Produktdiversifikation und Risikominimierung ist die IMTA unter Umständen gegenüber der Monokultur profitabler. Einer Zwei-Spezies-IMTA (zwei trophische Stufen) wird zwar eine bessere Produktivität, aber auch eine größere Anfälligkeit gegenüber Preisschwankungen nachgesagt, welche Investitionen unattraktiv machen. Dagegen wird einer Drei-Spezies-IMTA (drei trophische Stufen) nicht nur eine größere Produktivität, sondern auch eine geringere Preisanfälligkeit vorausgesagt. Besonders bei Preisaufschlägen sei das IMTA-System profitabler. In einer Umfrage gaben 38 % der Befragten an, bereit zu sein, einen Aufschlag von 10 % für IMTA-Produkte zu zahlen. Dabei ist die IMTA weniger bekannt, wird aber von den Befragten gegenüber rezirkulierenden Kreislaufanlagen als „natürlicher“ bewertet.
Kommerzielle IMTA
Besonders in China nimmt die Zahl von IMTA-Anlagen langsam, aber kontinuierlich zu, wogegen die westliche Welt hinterherhinkt. Bis dato sind die Möglichkeiten, welche IMTA bietet, noch nicht umfassend genutzt. In Deutschland erschweren mehrere Faktoren den Einsatz von IMTA. Insbesondere strenge Reglementierungen, aber auch Auflagen den Umweltschutz betreffend, hohe Investitionskosten und ein negatives Image der Aquakultur und ihrer Produkte verzögern die Weiterentwicklung und breite Etablierung dieses Sektors in Europa. Weltweit wird bezüglich des Potentials in Pilotanlagen, größtenteils im marinen Bereich, geforscht. Der IMTA-Sektor ist in Europa in erster Linie von kleinskaligen Systemen geprägt. Zurzeit spielen IMTA-Systeme in der kommerziellen Anwendung in Deutschland nur eine Nischenrolle.
Herausforderungen und Ausblick
Die Fördermaßnahmen und „Kinderkrankheiten“ der IMTA sind vielfältig und werden in der Wissenschaft rege diskutiert. Ferner gilt ihre Entwicklung als abhängig von begünstigenden und zukünftigen Faktoren.
Entsprechend könnten Zertifizierungen für IMTA-Produkte, Kampagnen durch Umweltgruppen und die Entwicklung neuer Vermarktungsmöglichkeiten die Implementierung von IMTA-Systemen voranbringen – genau wie staatliche Förderungen und eine flexiblere Regulierung, welche die wirtschaftliche als auch soziale Akzeptanz steigern und einen ökomischen Anreiz für Unternehmen darstellen. Zurzeit fehlen noch ökonomisch vergleichbare Modell- und wettbewerbsfähige Produktionssysteme, umfangreiche Expertise und das Bewusstsein in der Bevölkerung, ebenso wie ein reger Austausch zwischen Betreibern. Zudem gibt es noch relativ wenig wissenschaftliche Literatur. Ferner nehmen Konflikte mit InteressenvertreterInnen in der Küstenregion zu. Trotz allem könnten sich IMTA-Systeme aufgrund der Herausforderungen der Monokultur, wie steigender Inputpreise, sozioökonomischer und ökologischer Bedenken, durchsetzen.
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