Chlorat und Perchlorat

Chlorat und Perchlorat können als Nebenprodukte bei der Desinfektion von Wasser entstehen. Foto: Pixabay

Auf einen Blick: Chlorat und Perchlorat

Chlorate und Perchlorate können u. a. als Nebenprodukte bei der Desinfektion von Wasser mit Chlor, Chlordioxid oder Hypochlorite entstehen. Perchlorat ist darüber hinaus Bestandteil von Düngemitteln. Neben dem Trinkwasser können auch Lebensmittel durch den Kontakt mit entsprechend behandeltem Wasser Chlorate und Perchlorate (hier auch Kontakt mit Düngemittel) enthalten. Chlorat und Perchlorat gelten in bestimmten Mengen, besonders bei chronischer Exposition (regelmäßiger Aufnahme geringer Dosen über einen längeren Zeitraum) als potenziell bedenklich für die Gesundheit. Dies gilt speziell bei Kindern. Perchlorat und Chlorat können beim Menschen zur Hemmung der Jodaufnahme führen. Die Wirkstärke von Chlorat ist um den Faktor 10 geringer als die von Perchlorat.

Was ist Chlorat und Perchlorat?

Chlorate sind Salze der Chlorsäure.  Es handelt sich bei den meisten Chloraten um starke Oxidationsmittel. Gemische wurden auch als Zünd- und Explosivstoffe (Chloratsprengstoff) verwendet. Früher wurden vor allem Natrium- und Kaliumchlorat als Herbizide (z. B. zur Unkrautvernichtung) eingesetzt. Seit 2008 ist die Anwendung von chlorathaltigen Pflanzenschutzmitteln oder Biozidprodukten in der EU nicht mehr zulässig (EG 2008/865). Neben dieser gezielten Verwendung, können Chlorate auch bei der Desinfektion von Wasser mit Chlor, Chlordioxid oder Hypochlorite als Nebenprodukte entstehen.

Perchlorate sind Salze der Perchlorsäure. Anders als Chlorate waren Perlchlorate nie in der EU als Pflanzenschutzmittel oder Biozidprodukte zugelassen. Perchlorate können, wie auch Chlorate, bei der Reinigung oder Desinfektion mit chlorhaltigen Substanzen entstehen. Perchlorate kommen auch natürlich vor und können in Düngemitteln enthalten sein (Chilesalpeter) und so in die Umwelt gelangen. Weitere Anwendungsbereiche befinden sich in der Industrie oder der Verwendung als Raketentreibstoff und in Feuerwerkskörpern.

Wie gelangen Chlorate und Perchlorate in Lebensmittel?

Laut einer Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA) ist Trinkwasser die Hauptquelle für Chlorat in der Ernährung. Als Grenzwert im Trinkwasser gilt der vorläufige Richtwert von 0,7 mg pro Liter, veröffentlicht von der  Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO).

Chlorat und Perchlorat können jedoch auch in andere Lebensmittel gelangen. Wenn Wasser, welches im Zuge der Verarbeitung oder Erzeugung von Lebensmitteln eingesetzt wird, vorab mit chlorhaltigen Produkten desinfiziert wurde, können Chlorate oder Perchlorate in die Lebensmittel eingetragen werden. Dieser Weg der Kontamination gilt laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) als wahrscheinlicher Haupteintragspfad. Als Bestandteil von Düngemitteln können Perchlorate auch direkt in Pflanzen gelangen. Wenn Lebensmittel bspw. mit entsprechendem Wasser gewaschen werden oder aber auch mit Maschinen verarbeitet werden, welche mit chlorhaltigen Produkten desinfiziert wurden, kann eine Kontamination entstehen.

Für Produkte aus Aquakultur kann theoretisch auch das Haltungswasser als Eintragspfad in Frage kommen, wenn es Chlorat oder Perchlorat enthält. Chlorat ist in Wasser sehr gut löslich. Eine Akkumulation in aquatischen Organismen, z. B. Fische oder Garnelen, ist dementsprechend sehr unwahrscheinlich. Bei glasierten Fisch- und Meeresfrüchteprodukten ist es ebenso wie bei Gemüse theoretisch denkbar, dass Chlorat oder Perchlorat in der Glasur enthalten sind, wenn das verwendete Wasser vorab in Kontakt mit chlorhaltigen Produkten war. Zur Erklärung: Zum Schutz vor Gefrierbrand werden Filets, Garnelen usw. vor dem Frieren in Wasser getaucht. Das gefrorene Wasser bildet eine Art Schutzschicht.

Häufig wurde Chlorat und/oder Perchlorat in pflanzlichen Produkten (tiefgefrorenes Gemüse, Säfte, Salate) nachgewiesen. In den Untersuchungsergebnissen des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) zu Chlorat und Perchlorat in Lebensmitteln wurden 2016-2017 in 76 von 849 Proben Chlorat und in 57 von 755 Proben Perchlorat nachgewiesen. Hierbei wurden keine Überschreitungen der zulässigen Grenzwerte festgestellt (Überschreitung der akuten Referenzdosis von Chlorat bzw. Überschreitung des Referenzwertes von Perchlorat). Aquakulturprodukte können ebenfalls von einer Kontamination betroffen sein (siehe RASFF Rapid Alert System for Food and Feed; Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel der EU). Chlorat- oder Perchlorat Rückstände wurden in Produkten aus verschiedenen Ländern festgestellt, darunter auch aus Deutschland.

Im Jahr 2019 gab es insgesamt 8 Warnungen des RASFF zu Chlorat. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) veröffentlicht im Rahmen der Lebensmittelüberwachung neben anderen Daten auch die Untersuchungen zu Rückständen von Desinfektionsmitteln wie Chlorat. So wurden im Jahr 2019 in 79% der insgesamt 80 überwiegend aus vietnamesischer Aquakultur stammenden Proben von Pangasius Chlorat quantifiziert. Bei drei Pangasiusproben bestand dabei ein akutes gesundheitliches Risiko (s. u. Grenzwerte). Von den 97 im gleichen Jahr untersuchten Räucherlachsproben wiesen 35 quantifizierbare Chloratgehalte auf (≤ 1 mg/kg). Die Untersuchungsergebnisse sind im Monitoring 2019 BVL-Report veröffentlicht (s. u. Referenzen).

Ist Chlorat gesundheitsschädlich?

Chlorat und Perchlorat gelten in bestimmten Mengen, besonders bei chronischer Exposition (regelmäßiger Aufnahme geringer Dosen über einen längeren Zeitraum) als potenziell bedenklich für die Gesundheit. Dies gilt speziell bei Kindern. Perchlorat und Chlorat können beim Menschen zur Hemmung der Jodaufnahme führen.

Die Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) fällt für Chlorat und Perchlorat unterschiedlich aus.

Für eine chronische Chlorat-Exposition in Lebensmitteln wurde eine tägliche Aufnahmemenge (TDI, tolerable daily intake) von 0,003 mg pro kg Körpergewicht pro Tag (mg/kg kg/Tag) bestimmt (EFSA). Der TDI ist die Schätzung der Menge eines Stoffes, die über die gesamte Lebenszeit täglich aufgenommen werden kann, ohne spürbare Auswirkungen auf die Gesundheit zu haben. D. h. ein Mensch mit einem Körpergewicht von 60 kg erreicht den TDI bei der täglichen Einnahme von 0,18 mg Chlorat. Bei akuter Exposition, also der einmaligen Aufnahme hoher Mengen, kann Chlorat zu Nierenversagen führen und die Fähigkeit des Blutes Sauerstoff aufzunehmen einschränken. Die EFSA empfiehlt eine akute Referenzdosis von 0,036 mg/kg kg/Tag als sichere Höchstmenge. Dies wären bei einem Körpergewicht von 60 kg insgesamt 2,16 mg Chlorat innerhalb eines Tages.

Für Perchlorat wurde ein TDI von 0,0003 mg/kg kg/Tag ermittelt (EFSA). Dieser entspricht also 10% des TDI für Chlorat. Besonders für junge Menschen mit Jodmangel und Säuglinge von stillenden Müttern mit Jodmangel gilt eine chronische Perchlorat-Exposition als potenziell bedenklich. Die Sachverständigen der EFSA halten gesundheitliche Auswirkungen einer einmaligen Exposition gegenüber Perchlorat in den in Trinkwasser und Lebensmitteln zu findenden Mengen für unwahrscheinlich.

Es gilt bei der Betrachtung der Rückstände zu beachten, dass Chlorat nicht nur über Lebensmittel sondern auch über Trinkwasser aufgenommen werden kann.

Gibt es Grenzwerte für Chlorat und Perchlorat in Lebensmitteln?

Als Grenzwert für Chlorat im Trinkwasser gilt der vorläufige Richtwert von 0,7 mg pro Liter, veröffentlicht von der WHO. Für Chlorat gilt laut Verordnung (EG) Nr. 396/2005 ein allgemeiner Rückstandshöchstgehalt von 0,01 mg pro kg Lebensmittel (keine spezifische Regelung für Chlorat). Lebensmittel mit Höchstgehaltsüberschreitungen unterliegen nach Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) § 9 (1) 3. einem Verkehrsverbot. Laut dem BfR ist dieser allgemeine Grenzwert für Chlorat zur Abdeckung vieler Lebensmittelgruppen nicht ausreichend.

Im Gegensatz zu Chlorat fällt Perchlorat nicht in den Geltungsbereich der genannten Verordnung. Aus diesem Grund existiert keine Festlegung von Höchstgehalten in Lebensmitteln. Seit 2015 gelten für Perchlorat aktualisierte Referenzwerte für bestimmte Lebensmittelgruppen im innereuropäischen Handel. Für Säuglings- und Kleinkindernahrung beträgt dieser 0,02 mg/kg, für verschiedene Früchte und Gemüse 0,1 mg/kg (mit Ausnahmen bis 1,0 mg/kg), bestimmte Tees oder Gewürze 0,5 bis 0,75 mg/kg und für andere Lebensmittel 0,05 mg/kg. Im selben Jahr wurde auf Basis eines Gutachtens der EFSA durch die Europäische Kommission eine Empfehlung zum Monitoring des Vorkommens von Perchlorat in Lebensmitteln verabschiedet (Empfehlung EU 2015/862). Ein solches Monitoring kann Grundlage für die Ableitung von Höchstgehalten sein.

Seite teilen