Fischkrankheiten

Beitrag von Dr. med. vet. Henrike Seibel, Fraunhofer IMTE, Aquakultur und Aquatische Ressourcen
Wie und warum werden Fische krank?

Wie und warum werden Fische krank? Hier: Sterlets (Acipenser ruthenus) in einem Teich. Foto: F. Schäfer/Aquakulturinfo

Auf einen Blick

Der Ausbruch einer Fischkrankheit hängt – wie beim Menschen auch – von verschiedenen Faktoren ab. Entscheidend sind die Art des Erregers, der Erregerdruck, also die Erregerdichte, die Kondition und Konstitution der Fische sowie Haltungsparameter wie physikalische und chemische Eigenschaften der Umgebung, also des Wassers. Bei gesunden, wohlgenährten Fischen in einer optimalen, der Art angepassten Haltungsumgebung ist bei einem in der Umwelt üblichen Erregerdruck der massenhafte Ausbruch einer Krankheit unwahrscheinlich. Ändert sich einer dieser Faktoren, wird ein Krankheitsausbruch wahrscheinlicher. Zu den klassischen Erregern gehören Viren, Bakterien oder Pilze. Parasiten sind keine klassischen Infektionen und oftmals Infestationen (Besiedlung des Organismus). Genetische Defekte und Tumore kommen bei Fischen ebenfalls vor, betreffen die klassischen Aquakulturfischarten aufgrund der verhältnismäßig kurzen Haltungsdauer jedoch seltener.

Im Hauptartikel finden Sie umfassende Informationen zu Fischkrankheiten in der Aquakultur.

Allgemeines

Der Ausbruch einer Krankheit wird meist von mehreren Faktoren beeinflusst. Einer der wichtigsten Einflüsse, die das Ausbrechen und die Schwere einer Erkrankung beeinflussen, ist negativer Stress. Zum Verständnis und zur Vermeidung von Stress bzw. Krankheiten bei Fischen müssen die artspezifischen Bedürfnisse, die Haltungsbedingungen vor Ort und die Krankheitserreger, die eventuell im System auftreten, bekannt sein. Eine Herausforderung in der Ursachenforschung bei auftretenden Krankheiten besteht in den unterschiedlichen Ansprüchen, die die verschiedenen Fischarten an ihre Umwelt stellen. Hierzu zählen genetische, anatomische und physiologische Eigenschaften einer Art oder eines Individuums, insgesamt als Konstitution bezeichnet. Die Ansprüche und Eigenschaften sind jedoch nicht konstant, sondern sie variieren – teilweise im Tagesverlauf – und werden durch das Alter und die Größe des Tieres beeinflusst. Eine tropische Fischart wie Tilapia hat ein anderes Temperaturoptimum als ein in Europa heimischer Zander. Ein Fisch benötigt bspw. nach der Nahrungsaufnahme mehr Sauerstoff als ein Tier mit leerem Verdauungstrakt.

Neben Sauerstoff sind der pH-Wert, der Nitrit- und Nitratgehalt, die Ammonium-/Ammoniakkonzentration im Wasser und die Salinität weitere wichtige chemisch-physikalischen Wasserparameter, welche die Gesundheit von Fischen beeinflussen. Nicht zu vernachlässigen sind auch andere im Wasser gelöste Substanzen, wie Metalle, Chlor, Arzneimittelrückstände, Düngemittel, Pestizide, Herbizide und viele andere schwer abbaubare und akkumulierende Stoffe, sogenannte POPs (engl. Persistent Organic Pollutants, persistente organische Verunreinigungen; siehe auch Artikel Mikroplastik), die je nach Wasserquelle und Futtermittel in die Fischzucht eingetragen werden können. Eine nicht angepasste Beleuchtung, Lärm oder eine sehr raue Beckenstruktur, die potentiell zu Flossenverletzungen führen kann, können ebenfalls den Gesundheitszustand der Fische beeinträchtigen.

Die Ernährung der Fische ist ein weiterer entscheidender, die Fischgesundheit beeinflussender Faktor. Fische benötigen, genau wie auch Menschen, bestimmte Bestandteile in der Nahrung, welche für die Gesundheit wichtig sind, z. B. Fettsäuren und Vitamine. Die durch die Haltungsumwelt und Ernährung erworbene Verfassung (Kondition) bestimmen neben der Konstitution maßgeblich die Anpassungs- und Belastungsfähigkeit eines Fischs.

Pelletierte Futtermittel

Eine nicht artgerechte Haltung macht krank und/oder beeinflusst das Auftreten von Erkrankungen, aber nicht jeder kranke Bestand lebt in einer schlechten Haltungsumgebung. Ist der Erregerdruck zu hoch, können auch wohlgenährte Fische bei guter Haltung erkranken. Oft ist es eine Verkettung verschiedener Faktoren, die zum Ausbruch einer Krankheit führt. Kommt es bspw. durch bestimmte Stoffe oder mechanische Einwirkungen zu Veränderungen oder Verletzungen der Schleimschicht, welche dem Fisch als Schutzschicht dient, können sich potentielle Erreger ansiedeln. Wenn das Immunsystem ganz allgemein zusätzlich durch Stress geschwächt ist, z. B. durch unausgewogene Ernährung oder suboptimale Wasserparameter, sind Erkrankungen wahrscheinlicher.

Einteilung Krankheitserreger

Es gibt auch Krankheitserreger, die weitestgehend unabhängig von anderen Faktoren, wie Kondition oder Wasserparameter, zu einer klinischen Erkrankung bei einem Fisch führen können. Es wird in sogenannte „fakultative“ und „obligate“ Pathogene unterschieden. Fakultativ pathogen heißt „kann krankmachen“, wenn andere Faktoren dazukommen, während obligate Krankheitserreger deutlich häufiger Erkrankung hervorrufen. Letztere sind daher von besonderer Wichtigkeit. Bestimmte Erkrankungen bzw. Krankheitserreger sind gesetzlich geregelt (siehe Artikel Fischhaltung). Im Zusammenhang mit der Fischseuchendiagnostik werden im neuen EU-Tiergesundheitsrechtsakt (Animal Health Law, AHL, VO [EU] 2016/429) einige Fischseuchen ähnlich der früheren Melde- und Anzeigepflicht kategorisiert (Inkrafttreten 21.04.2021).

Die gelisteten Fischseuchen sind in entweder in

Kategorie A:

  • Die Epizootische Hämatopoetische Nekrose (EHN),

Kategorie C:

  • Die Ansteckende Blutarmut der Lachse (ISA),
  • Die Virale Hämorrhagische Septikämie der Salmoniden (VHS),
  • Die Infektiöse Hämatopoetische Nekrose der Salmoniden (IHN),

oder Kategorie E:

  • Die Koi-Herpesvirus-Infektion der Karpfen (KHV-I)

sortiert.

Bei Ausbruch einer Kategorie A Seuche müssen unmittelbar Tilgungsmaßnahmen (meist Tötung des Bestands und Desinfektion) ergriffen werden, bei Kategorie-C-Seuchen ist eine optionale Tilgung vorgesehen und die KHV-I wird als Kategorie-E-Seuche jetzt nur noch überwacht. Vor Inkrafttreten des AHL waren alle genannten Erkrankungen als sogenannte anzeigepflichtige Tierseuchen mit der Notwendigkeit von unmittelbaren Tilgungsmaßnahmen gelistet.

Seuchenhafte Erkrankungen gehen in der Regel mit hohen Verlusten in kurzer Zeit einher. Dies bedeutet auch direkt und in der Folge einen großen finanziellen Schaden. Infizierte Fische, die keine Symptome zeigen, können die Erreger unter Umständen unbemerkt weiterverbreiten. Viele Fischarten erkranken nicht selbst, sondern fungieren als sogenannte Carrier (Überträger). Ein gutes Hygienemanagement und regelmäßige Desinfektion sind zur Vermeidung der Ausbreitung v. a. der schwerwiegenden Erkrankungen wichtig. Obwohl in den letzten Jahren immer wieder VHS- und KHV-I-Fälle in Deutschland aufgetreten sind (v. a. regional), sind Fischseuchen der Kategorien A, C oder E nicht sehr häufig. Statistiken über die Häufigkeit des Auftretens bestimmter Erkrankungen geordnet nach Haltungssystemen gibt es bisher in Deutschland nicht. Da die potentiellen Infektionswege in verschiedenen Produktionssystemen, bspw. in Durchfluss- und Kreislaufanlagen oder naturnahen Teichen, unterschiedlich sind, gilt es auch dies bei der Betrachtung von entsprechenden Zahlen zu berücksichtigen. Erreger gelangen v. a. durch Besatz in die (geschlossenen) Anlagen (siehe Artikel Hygienemanagement).

Erkrankungen nach Erregerart – ein allgemeiner Überblick

Es gibt weltweit zahlreiche und mitunter sehr unterschiedliche Erreger von Fischkrankheiten. Durch die Globalisierung der Aquakultur sind jedoch bestimmte Erreger nicht mehr auf Regionen beschränkt. Die Behandlungsmethoden sind entsprechend vielfältig und können nicht pauschalisiert werden. Im Folgenden ist eine Auswahl wichtiger Erreger von Fischkrankheiten speziell in der Aquakultur aufgeführt. Die Bedingungen in der Aquakultur, v. a. in intensiven Produktionssystemen mit einer oft hohen Anzahl von Tieren auf begrenztem Raum (siehe Artikel Besatzdichte), stellt eine Begünstigung für Übertragungen dar. Das Beispiel der Lachslaus in der Lachsaquakultur zeigt auf, wie ein Erreger, der im natürlichen Lebensraum der Fische vorkommt, dort aber nur selten eine lebensbedrohliche Dichte erreicht, unter Aquakulturbedingungen zu einem massiven Problem für die Fische und die gesamte Industrie werden kann (auch außerhalb des ursprünglichen Verbreitungsgebiets des Parasiten und des Wirts).

Lachslaus

Karpfen- oder Lachsläuse sind in der Fischhaltung nicht nur als Zwischenwirte für Viren von Bedeutung, sondern verursachen auch an der Haut selbst Schäden, die sich wiederum entzünden, sekundär verpilzen oder von Bakterien befallen werden können (siehe Artikel Lachslaus). Eine weitere wichtige parasitäre Erkrankung in der Aquakultur ist die Weißpünktchenkrankheit (Ichthyophthiriose, kurz Ichthyo), die zu hohen wirtschaftlichen Verlusten führen kann.

Es gibt weitere äußerlich auf der Haut lebenden Parasiten (sog. Ektoparasiten), die von unterschiedlicher Bedeutung sind, u. a. die Costia, Chilodonella, Trichodina (einzellige Parasiten), Haken-, Saug-, Ankerwürmer und Fischegel (Würmer) oder parasitisch lebende Krebse. Auch im Körper sind Parasiten zu finden (sog. Endoparasiten). Bei den Endoparasiten gibt es Erreger, die im Blut zu finden sind und oft selbst über Ektoparasiten übertragen werden. Man kennt z. B. Geißeltierchen, Blutflagellaten oder Kokzidien auch bei Fischen. Auch die proliferative Nierenerkrankung (PKD) der Salmoniden, wie Lachs oder Forelle, wird durch einen sporenbildenden Einzeller (Tetracapsula bryosalmonae) verursacht. Eine Infektion mit dem Parasiten Myxobolus cerebralis bedingt bei Forellen die Dreherkrankheit und es kann in der Folge zu Deformationen von Kopf und Wirbelsäule kommen. Typisch ist auch die Schwarzfärbung der hinteren Körperhälfte bei dieser Erkrankung. Der Erreger selbst benötigt Schlammröhrenwürmer als Zwischenwirt.

Zu den Parasiten, welche den Verdauungstrakt besiedeln, gehören u. a. Spul-, Band-, Nelkenwürmer, Kratzer (Würmer), verschiedene Einzeller und Amöben. Viele Parasiten benötigen Zwischenwirte zur Vermehrung, wie Wasserschnecken, Kleinkrebse oder Insektenlarven. Oft sind auch die Fische selbst Zwischenwirte und meist Fraßfeinde der Fische oder deren Kadaver die jeweiligen Endwirte, z. B. fischfressende Vögel oder Säugetiere (Robben). Mit einigen dieser Fischparasiten kann sich auch der Mensch infizieren. Es handelt sich hierbei dann um sogenannte Zoonosen.

Die Abhängigkeit der Parasiten von Zwischenwirten zur Vermehrung verdeutlicht den Unterschied zwischen den Haltungssystemen. In geschlossenen Produktionssystemen wie Kreislaufanlagen ist dieser Lebenszyklus unterbrochen, da Glieder der Vermehrungskette fehlen. In geschlossenen Systemen stehen Hygienemaßnahmen und bspw. Schneckenbekämpfung im Vordergrund. In Naturteichen, Netzgehegen und anderen offenen Systemen ist dies praktisch nicht vollends umsetzbar.

In der Natur leben die Fische oft in Symbiose mit den Parasiten, ohne dauerhaft Schaden zu nehmen oder an der Infestationen zu verenden. Bis auf wenige Extremsituationen kann man sagen, dass der Parasitendruck bei Fischen, die in Kreislaufanlagen gehalten werden, flächendeckend wesentlich geringer ist als bei wildlebenden Fischen. In der Lachsaquakultur stellt der Lachslausbefall jedoch ein großes Problem dar und der Befall kann bei Weitem höher sein als bei wildlebenden Lachsen.

Verpilzte Forelle

Nach Parasiten treten auch bakterielle Erkrankungen bei Nutzfischen auf. Zum Beispiel ist die Furunkulose schon seit 1894 bekannt und gefürchtet und verursacht gerade in der Setzlingsaufzucht oft hohe Verluste. Die Hautveränderungen als Folge der Furunkulose, die durch den Erreger Aeromonas salmonicida verursacht werden, sind unschön und machen eine Vermarktung ganzer Fische unmöglich. Neben der Furunkulose gibt es verschiedene weitere bakterielle Erreger, die ebenfalls zu teils schwerwiegenden Hautveränderungen führen und oftmals auch die Kiemen schädigen: Flavo- und Flexibakterien, Strepto- und Lactokokken, Aeromonaden, Mykobakterien und viele mehr. Bakterielle Kiemenerkrankungen sind oft Mischerkrankungen verschiedener bakterieller Erreger. Yersinia ruckeri ist der Erreger der gefürchteten Rotmaulseuche und verursacht Blutungen in der Darmschleimhaut, im Maulbereich und in der Muskulatur.

Neben den „klassischen“ Erregern treten immer wieder neue Erkrankungskomplexe auf. So gibt es z. B. bei Forellen Hauterkrankungen wie das sogenannte „Red Mark Syndrom“ (RMS), auch bekannt als „Strawberry Disease“ (Erdbeerkrankeit), das seit einigen Jahren in Europa auftritt. Es konnte länger kein Erreger ausfindig gemacht werden. Heute nimmt man an, dass es sich um eine bakterielle Erkrankung handelt und von Midichloria-ähnlichen Organismen verursacht wird, welche den Rickettsien zugeordnet werden. Viele dänische Forellenzüchter beschreiben die typischen Symptome. Das RMS ist für den Fisch selbst nicht tödlich und führt auch zu keinen deutlichen Verhaltensänderungen oder Appetitverlust. Da die Tiere aber teils tiefe Löcher in der Haut aufweisen, führt die Erkrankung nicht zuletzt zu massiven wirtschaftlichen Verlusten bei der Vermarktung des Produktes.  

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